Donnerstag, 4. August 2022

Das Spiel des Stärkeren


Warum hat der Konsument das Spiel verloren?


Seit einiger Zeit verfolge ich die in Europa dominierende Spotmarkt-Börse EPEX und das mit zunehmendem Staunen und Ratlosigkeit. Mit dem Strommarkt habe ich mich viele Jahre intensiv beschäftigt und konnte mir so manches zusammenreimen, was da von einzelnen Marktteilnehmern abging. Aber jetzt komme ich einfach nicht auf eine plausible Erklärung. Vielleicht kann mir eine Leserin oder ein Leser des Beitrages auf die Sprünge helfen. Was ist da los?


Die Preise gehen tendenziell immer weiter nach oben, was ja vielfach mit Krieg und Gaspreis begründet wird. Da habe ich schon einmal Zweifel an einer so simplen Erklärung der Entwicklung. Ja, Frankreich hat Probleme mit der Wartung seiner Kernkraftwerke. Ja, Deutschland will diese bald stilllegen und auch den Kohlestrom verteuern. In Südosteuropa gibt es zunehmend Probleme mit vielen Braunkohlekraftwerken und es findet sich kein Ersatz. Klimaanlagen verbrauchen wesentlich mehr Strom. Aber es gibt auch vorübergehende Betriebseinschränkungen mangels verfügbarer Vorprodukte. Und vieles liegt da noch im Verborgenen.


Wozu ich allerdings absolut keine Erklärung finde ist der Umstand, dass das Österreichische Versorgungsgebiet immer bei den höchsten Preisen zu finden ist, wenn nicht sogar den höchsten Preis aller im Spotmarkt EPEX abgedeckter Marktgebiete. Morgen, am 5.8. ist der Preis untertags bei uns am höchsten. Da frage ich mich, wo dafür die Ursache liegen mag.

 

Die Stromerzeugung hat im vergangenen Jahr 2021 insgesamt etwas über 70 TWh ergeben, davon rd. 42,5 TWh (61%) aus Wasserkraft und davon wiederum 28,5 TWh (67% bzw. 41%) aus Laufkraftwerken. Die an Flüssen und Donau errichteten Laufkraftwerke sind zum größten Teil abgeschrieben und deren Strom kann durchschnittlich um höchstens einmal 25 EUR/MWh erzeugt werden, also um etwa 6% des aktuellen Marktpreises. Unter der vorsichtigen Annahme, dass 90% des in Laufkraftwerken erzeugten Stroms aus abgeschriebenen Anlagen kommt, ergibt die vorgenannte Preisdifferenz (395 EUR/MWh) einen Jahresgewinn von über 11 Milliarden EUR. Gut, die Preisdifferenz ist nicht immer so hoch, sie dürfte jedoch zumindest 250 EUR/MWh betragen, was noch immer 7 Mrd. EUR/Jahr ergibt. 


Österreichisches Alpenwasser ist eben wertvoll, allerdings gratis. Jedenfalls für jene Firmen, welchen wir in den vergangenen Jahrzehnten mit der bezahlten Stromrechnung den Bau der Kraftwerke ermöglichten. Nun sind sie diejenigen, welche darüber verfügen können, was mit diesem ernormen Ertrag finanziert werden soll. Das sind nicht nur Dividenden, sondern manche Investitionen, deren langfristiger Ertrag vielleicht eher fragwürdig sein mag.


Das derzeit angewendete Grenzpreis-System wurde vor der Marktöffnung heftig diskutiert und unter anderem durch Anwendung der Spieltheorie dem Durchschnittspreis-System gegenübergestellt. Offenbar sind bei dieser Modellierung von den Experten entscheidende Szenarien oder Einfluss-Parameter übersehen worden. Was aber spielt nun eine derart massive Rolle in der Entwicklung solcher Marktpreise? Vielleicht wurden die Trittbrettfahrer falsch eingeschätzt? Oder jene Erzeuger, welche das Marktgebiet dominieren? Oder schlampig erstellte Wettbewerbsregeln, welche die Ausgewogenheit nicht sicherstellen? Oder...?


Günter Bramböck

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